Die alten Wilden

Die alten Wilden

Porsche bewegt die Menschen. Früher war vom Fahrer besonderes ­Können gefragt, auch im Alltagsbetrieb, nicht nur auf der Rennstrecke. Heute sind sie teure Schätzchen. Wir haben vier von ihnen ausgeführt.

Porsche bewegt die Menschen. Früher war vom Fahrer besonderes ­Können gefragt, auch im Alltagsbetrieb, nicht nur auf der Rennstrecke. Heute sind sie teure Schätzchen. Wir haben vier von ihnen ausgeführt.

Die Autos aus Zuffenhausen waren schon immer elitärer als Fahrzeuge von Mercedes-Benz, BMW oder Audi. Während neue Porsche aber oft angefeindet werden, insbesondere die Geländemodelle Cayenne und Macan, sind alte Porsche immer und überall gern gesehen. Dabei sind sie oft ein Vielfaches teurer als ein Neuwagen. Aber nicht alle. Wir haben uns vier alte Schätzchen ge­nauer angesehen und sind mit jedem aus dem Quartett gefahren. Alle vier gehören zum Fuhrpark von Porsche Classic respektive des Porsche-Museums.

Beginnen wir mit dem 356, der Keimzelle des Unternehmens. Er war das erste Auto, das den Namen des genialen Erfinders und Konstrukteurs Ferdinand Porsche (1875 bis 1951) trug. Die Ziffern­folge 356 bezieht sich schlicht auf das 356ste Projekt des im April 1931 in Stuttgart gegründeten Porsche-Kons­truktionsbüros.

Allerdings müsste der mit dem VW-Käfer verwandte Sportwagen eigentlich 349 heißen, weil am Beginn schlichtweg das Projekt 7 stand, wohl um den ersten Kunden weiszumachen, dass man schon zuvor etwas geleistet hat. In diesen Zeiten lernte zudem der spätere VW Käfer das Krabbeln ­ – eine andere bücherfüllende Geschichte, ebenfalls von Ferdinand Porsche initiiert und entscheidend vo­rangetrieben. Ohne den Käfer würde es Volkswagen heute nicht geben. So gesehen hat Ferdinand Porsche praktisch zwei Automobilmarken geschaffen. Porsche verlor 2009 die Selbständigkeit, nach einem gescheitertem, wahnwitzigen Übernahmeversuch, als man VW schlucken wollte, und ging im Wolfsburger Konzern auf. Doch auch das ist eine andere Geschichte. Wie auch die Familiensaga um den Porsche-Clan.

Nun, der erste Porsche, der nur diesen Namen trug, fuhr 1948. Publikums­premiere des 356 war im März 1949 auf dem Genfer Automobilsalon. Bis 1964 wurde der aus heutiger Sicht winzige und schwachbrüstige Sportwagen gebaut, es entstanden rund 76.300 Einheiten, da­von 23.800 Cabriolets. Einige davon wa­ren Speedster, ursprünglich für den amerikanischen Markt kreiert, mit nur knappem Notverdeck, kleiner Frontscheibe und Steckscheiben für die Türen.

Kind der Fünfziger: Ein Porsche 356 Speedster, dem sein roter Lack besonders gut steht.PORSCHE: Die wilden Alten

In Rot sieht so ein Speedster besonders schick aus. Zum Glück erwischen wir an einem ziemlich verregneten Wo­chenende ein paar Sonnenstrahlen, als wir hinter das Nardi-Holzlenkrad des Ur-Porsche dürfen. Holzlenkrad? „Zeitgenössisches Extra“, heißt es. Die Schalensitze waren aber schon damals Serienausstattung. Der Originaltacho rechts neben dem dominanten Drehzahlmesser reicht bis 250 km/h, was viel zu viel versprochen ist. Doch weil der 356 mit rund 1100 Kilogramm sehr leicht ist, reichen schmale 60 PS aus einem 1,6-Liter-Vierzylinder für Fahrleistungen jenseits der 160 km/h. 

Tatsächlich fühlt sich der Kleine nicht untermotorisiert an, im Gegenteil. Er geht richtig gut, die vier Gänge sind schnell durchgeschaltet. Als Kind der 1950er-Jahre hat er ein minimalistisch gestaltetes Armaturenbrett, stehende Pe­dale, eine Krückstock-Handbremse und eine 6-Volt-Batterie. 12 Volt gab es ab 1960, Scheiben- statt Trommelbremsen 1962. Weil die Batterie schnell leer ist, wenn jemand die Scheinwerfer nach dem Abstellen nicht ausmacht, warnt der 356 ganz modern mit einem Piepen. Das sei aber die einzige bauliche Veränderung, beteuert man bei Porsche Classic.

So ein 356 ist hübsch, fährt nett, ist aber letztlich doch zu schwach, um mit ihm übers Flanieren hinaus Spaß zu ha­ben. Und die Preise. Porsche Classic schätzt seinen Wagen auf 350.000 Euro, Speedster seien sehr gesucht. Aber schon für gewöhnlichere Modelle sollten mindestens 80.000 Euro einkalkuliert werden. Auf dem Internet-Portal mobile.de finden sich mehr als 150 Porsche 356, über die Hälfte soll gar sechsstellig kosten.

Der 911 war der Nachfolger des 356

Vielleicht doch lieber ein 911? Der Porsche schlechthin. Er prägt bis heute das Bild der Marke, allen Cayenne, Macan, Panamera und Taycan zum Trotz. Zumal er 2021 in Deutschland wieder der meistverkaufte Porsche war.

Mit knapp 7900 Einheiten platzierte er sich vor Macan und Cayenne, beide um 5500 Einheiten, sowie dem elektrischen Taycan mit gut 5000 Stück. Die meisten Autofans träumen verstohlen von einem 911. Inzwischen sind die Preise nicht für die neuen Modelle, sondern auch für die historischen Fahrzeuge in schwindelerregende Höhen entfleucht. Einst begann er bei 21.900 Mark. Heute kostet ein neuer 911 das Zehnfache. Der 911 war der Nachfolger des 356, und wer einen klassischen Porsche sucht, hat bei ihm die größte Auswahl. Das Konzept ist prinzipiell das des 356, Motor und Antrieb hinten, flache, traumhafte Silhouette, entworfen von Ferdinand „Butzi“ Porsche (1935 bis 2012), dem Enkel des Firmengründers.

Bis heute sind acht Generationen 911 seit 1964 auf den Markt gekommen, wo­bei der erste Elfer nur 130 PS, aber na­türlich sechs Zylinder hatte. Im Gegensatz zum 356, dessen Boxermotor nie über vier Zylinder hinausgekommen war. Die Jahre 1964 bis 1972 teilt die 911- Gemeinde in verschiedenen Serien ­ – A bis F ­ – auf. 1973 kommt dann das G, zehn Jahre dauert es noch bis zum ersten echten Cabriolet. Für den Elfer gilt: Je älter, desto teurer. Alle diese frühen Mo­delle, die so unglaublich schlank und filigran erscheinen, erfordern trotz vermeintlich geringer Leistung den Könner am Lenkrad, wenn es auf kurvigen Strecken richtig schnell gehen soll. Das an­getrie­bene Heck mit dem schweren Mo­tor auf der Achse bricht schnell aus. Für den Kauf gilt: Autos gänzlich ohne Un­fall sind rar.

Noch zwei, drei andere Schätzchen

1989 erscheint dann die Modellreihe 964. 85 Prozent der Teile sind neu, die Form bleibt abermals gewahrt, wird aber stämmiger. Eine Entwicklung, die sich bis heute fortsetzt. Erstmals gibt es Allradantrieb für den 911 und eine Automatik. Solch ein Modell mit Tiptronic nehmen wir unter die Fittiche und sind, ja, tatsächlich ziemlich enttäuscht. Diese Automatik passt generell nicht zum 911, davon abgesehen wirkt das Armaturenbrett mit den riesigen Bedienknöpfen angestaubter, als es dem Baujahr nach eigentlich sein sollte. Allerdings wäre der in Lila gehaltene Innenraum – passend zur Lackfarbe – schon allein ein K.O.-Kriterium. Um die 70.000 Euro kos­ten gute 964-911 wie der gefahrene, sagt Porsche Classic. Die Preisbandbreite ist so riesig wie das Angebot. Al­lein mobile.de listet Anfang Februar 2022 mehr als 1800 Elfer bis Baujahr 1997. Dieses Jahr kann als Zäsur gesehen werden, weil der 911 mit der Baureihe 996 zur Wasserkühlung wechselte. Für viele Porsche-Puristen muss ein Elfer ein Luftgekühlter sein. Mehr als 400.000 Stück wurden von 1964 bis 1996 gebaut, fast die Hälfte davon entfiel auf die G-Serie.

Doch man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen: Einen 911 wollen doch alle, das ist Mainstream. Und Porsche hat schon noch zwei, drei andere Schätzchen, die nicht so sehr auf dem Ra­dar der Oldtimerfreunde sind. Den VW-Porsche zum Beispiel. Der ist zwar ein Gemeinschaftsprodukt mit VW, schließlich waren die Marken immer eng verbunden. Doch als kantiges Mittelmotor-Coupé mit herausnehmbaren Dach ist er ein Hingucker. Den „Volksporsche“ sieht man nicht an jeder Ecke, obwohl von 1969 bis 1975 immerhin fast 120.000 Einheiten bei Karman in Osnabrück produziert wurden.

Besonders gesucht sind die gut 3000 VW-Porsche, die als 914/6 mit dem 110-PS-Sechser aus dem damaligen 911 be­stückt waren und aus dem Stammwerk ka­men. Dieses Auto fährt klasse, wenn man sich an die ungewöhnliche Gang­kulisse gewöhnt hat: Der erste ist links unten, oben ist der Rückwärtsgang. Rauf geht es dann bis zum fünften, und wie es sich für einen Porsche gehört, sitzt das Zündschloss links vom Lenkrad.

Auch er folgt der Transaxle-Bauweise

Alle anderen 914 hatten VW-Motoren mit 80 bis 100 PS. Der Auftritt bleibt natürlich der gleiche, besonderen Charme haben die Klappscheinwerfer, die damals in Mode waren. So sieht der Fahrer stets, wenn das Licht an ist. Gewöhnen muss man sich zudem an die Enge im Wagen, die Lehnen der Sitze sind starr. Porsche schätzt den 914/6 auf 100.000 Euro. Das tut schon weh. Die kleinen VW-914er gibt es aber schon für rund 20.000 Euro. Auch das sind Porsche.

Klappscheinwerfer hat auch der letzte Sportwagen in unserem Quartett. Der 944 war nach dem 914 und dessen Nachfolger, dem als Hausfrauen-Porsche geschmähten 924 (1976 bis 1988) und dem 928 mit seinem dickem V8-Frontmotor (1977 bis 1992), ein weiterer Versuch, Porsche auf eine breitere Basis zu stellen. Schon damals war klar, dass man nur mit dem 911 auf Dauer nicht über­leben würde. Der Plan, den 928 zum Nachfolger zu machen, wurde schnell verworfen. Aus dem Sportcoupé 924 mit seinem Frontmotor, der zunächst von Audi kam, wurde 1981 der 944 entwickelt. Auch er folgt der Transaxle-Bauweise, Motor vorn, Getriebe hinten. Mit seinen breiteren Kotflügeln wirkt er eindrucksvoller als der schmale 924. Das ge­fahrene Exemplar ist ein 944 Turbo Ca­briolet aus dem letzten Produktionsjahr 1991. Der Turbo mit seinen 220 PS aus dem 2,5-Liter-Vierzylinder, der eine „Hal­bierung“ des dicken V8 im 928 war, kam 1985 und ließ sich zunächst nur schwer verkaufen. Es gab zwar 220 statt nur 160 PS, doch der Startpreis lag mit 74 000 Mark um mehr als 20 000 Mark höher. Aus dem Quartett gefällt uns persönlich der 944 Turbo am besten.

Der Innenraum ist schöner als der des 964-911, die Schlafaugen haben Charme, und die Leistung stimmt auch. So ein 944 Turbo schafft 250 km/h, wenn es sein muss. Er beschleunigt in sechs Sekunden von 0 auf 100 km/h. Zudem ist mehr Platz als im 911. 12 Bierkästen passen hinter die Vordersitze, heißt es. Gute 944-Coupés finden sich schon für rund 30 000 Euro auf dem Markt. Auch das spricht für einen 944 als Klassiker in der heimischen Garage. Nicht vergessen sollte man, dass stolze 163 303 Porsche 944 gebaut wurden. In den 1980ern verkaufte er sich mitunter besser als der 911 und sicherte so das Überleben der Firma. Das eher seltene 1991er-Turbo Cabriolet, nur 528 sind entstanden, taxiert Porsche Classic auf 70 000 Euro. Fazit: Porsche ist bei Weitem nicht nur 911, schon damals nicht und heute erst recht nicht. Und das Gerede, der VW-Porsche, der 924 oder der 944 seien keine echten Porsche, verstummt so langsam.

 Article von Frankfurter Allgemeine

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Boris Schmidt

Redakteur im Ressort „Technik und Motor“.

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